Wiesbadener Kurier
Vom 08.01.2008
WILDSACHSEN Linus' rechtes Bein bleibt geknickt. Aber der Kater hat den Anschlag Am Hollerbach in Wildsachsen überlebt. Im Gegensatz zur Nachbarskatze und bundesweit jährlich 400000 Katzen und 65000 Hunden, die von Heckenschützen getötet werden.
"Linus geht es wieder gut", sagt Karin Lübbers, 42, nimmt ihren Kater auf den Arm und streichelt behutsam über sein gekrümmtes Bein. "Wer macht so etwas?", fragt ihre Mutter Lieselotte Lübbers voller Sorge, "dass das wieder passiert". Im Februar hatte sie den zweijährigen Linus wenige Meter von ihrem Haus an der Straße Am Hollerbach gefunden: "Er schleppte sich noch ein Stück weiter und zog eine Blutspur hinter sich her." Im rechten Vorderbein steckte ein Projektil. Der Schuss fiel mitten am Tag in einem Wohngebiet mit vielen Kindern und Haustieren, den Schützen sah niemand. 2000 Euro investierten Lübbers in Operation und Behandlung, bangten acht Wochen um den
Kater.
Vor Weihnachten traf es eine sechs Monate alte Katze in der Nachbarschaft. Um 20.30 Uhr schreckte ein Schuss die Anwohner auf. Minuten später entdeckten sie das Opfer auf dem Gehsteig, etwa 50 Meter vom Tatort entfernt, an dem Linus gefunden wurde. Der Tierarzt konnte bei der Obduktion nur noch den Tot feststellen und die Familie wie
Lübbers Anzeige gegen Unbekannt erstatten.
"Wir reden hier nicht von Luftgewehren", berichtet Karin Lübbers. Sie gab das Projektil der Polizei Hofheim,
die in beiden Fällen wegen "Töten eines Wirbeltieres" Ermittlungen aufnahm und Linus' Fall an die Staatsanwaltschaft Frankfurt übergab. Der Schuss wurde aus einem Kleinkalibergewehr abgegeben, bestätigt Polizeisprecher Andreas Beese. Das sei außergewöhnlich. Es komme zwar immer mal wieder vor, dass Hunde oder Katzen von einer Luftgewehrkugel getroffen werden. Aber Fälle mit Kleinkaliber wie in Wildsachsen "sind uns sonst nicht bekannt". Auch beim Ordnungsamt und im Kreisveterinäramt weiß man von keinen weiteren Anschlägen dieser Art.
Beese bedauert, "dass es keine Zeugen gab und wir das Geschoss keiner Waffe zuordnen konnten". Das sei typisch. In
der Regel kämen die Täter ungeschoren davon. "Wir brauchen konkrete Anhaltspunkte", sagt auch Oberstaatsanwalt Manfred Stotz. Er stellte Linus' Fall jetzt ein. "Wir konnten keinen Täter ermitteln - das ist immer das
Schicksal." Immer? "Das war kein Einzelfall", erklärt Stotz. Besonders in Frankfurt häuften sich die Fälle: "Es
gibt mehr Katzenhasser, als man denkt." Katzen würden "bevorzugt Opfer solcher Anschläge". Hunde träfen viel seltener heimliche Schüsse, "aber Hunde werden dafür öfter vergiftet." Dazu vermutet Stotz eine hohe Dunkelziffer von erschossenen Tieren, bei denen niemand Anzeige erstatte.
"Die Täter können wir kaum greifen", bedauert Stotz. "Denn wie will man jemanden feststellen, wenn niemand etwas gesehen hat?" Wie Beese ruft Stotz deshalb die Bevölkerung auf, "der Polizei Beobachtungen mitzuteilen". Dann
gelinge es auch, Tiermörder zu ermitteln.
"Wir hatten zum Beispiel einen, bei dem ein Nachbar den Täter fotografierte, der schoss", berichtet Stolz. Wie viele Katzen und Hunde Heckenschützen zum Opfer fallen, weiß Edmund Haferbeck, wissenschaftlicher Berater der internationalen Tierschutzorganisation Peta, genau: "Allein in Deutschland werden jedes Jahr rund 400000 Katzen und 65000 Hunde erschossen", sagt Haferbeck und betont, dass die Statistik "auf den Erhebungen der Landesregierungen basiert". Darunter gebe es sogar "etliche Fälle von Hunden, die abgeschossen wurden, als sie von ihren Besitzern an der Leine geführt wurden". Haferbeck betont, dass es sich bei den Tätern "nie um Berufsjäger oder Förster
handelt, sondern um Menschen, die einfach aus Lust Tiere abknallen". Davon gehen Polizei und Staatsanwaltschaft auch bei den Fällen in Wildsachsen aus.